Datenlücke schließen: Was dafür jetzt getan werden müsste

Der Evaluationsbericht zeigt es deutlich: Deutschland hat eine Datenlücke. Und zwar so groß, dass entscheidende Evidenzen in der Beurteilung von Corona-Maßnahmen fehlen. infas 360 durfte die Ausarbeitung mit unterstützen. Genutzt wurde dazu der eigens entwickelte Corona-Strenge-Index. Auf diesen wird im Bericht mehrfach verwiesen. Was aber fehlt und für das anstehende dritte Pandemiejahr maßgeblich wäre: Welche Daten fehlen denn genau und was muss dafür getan werden?

 

Leuchtturmprojekt Modellstadt Bonn

Wir müssen tiefgreifender analysieren! So lautet eine Erkenntnis aus der Bewertung der verfügbaren Regionaldaten, die auf der Corona-Datenplattform im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zusammengetragen wurden. Eine modellhafte Vertiefung von Daten und Analysen auf intrakommunaler Ebene, also unterhalb der Kreise, sei zwingend notwendig. Die Bundesstadt Bonn erklärte sich bereit als Modellstadt zu fungieren und stellte anonymisierte Daten zu Covid19-Infektionen inklusive zugehörigen Adressen zur Verfügung. So konnte erstmalig eine im Gesundheitsamt vorliegende Datenbasis zu Infektionsfällen gesichtet, auf Datenlücken hin überprüft und als Vollerhebung für ein bestimmtes Gebiet und einen bestimmten Zeitraum durch Anreicherung mit weiteren mikrogeografischen Daten tiefenanalysiert werden (siehe dazu auch Bonn wird Modellstadt im Kampf gegen Corona).

 

Die Datenlücke am Beispiel Bonn

Trotz Vollerhebung weisen die Gesundheitsdaten gravierende Datenlücken auf. Diese können durch Datenanreicherung und systematische Aufbereitung nur teilweise geschlossen werden. So werden über die Wohnadressen beispielsweise Infektionsfälle in Einrichtungen (u.a. Seniorenheimen) identifiziert, welche in den Gesundheitsdaten zwar teilweise enthalten, aber nicht vollständig erfasst sind. Die für die Untersuchung von Arbeitsstätten und den Wegen zwischen Wohnen und Arbeiten benötigten Adressen der Arbeitsorte dagegen sind kaum vorhanden. Nur für rund die Hälfte der Infektionsfälle sind offene Berufsbezeichnungen angegeben, die immerhin über eine Textanalyse zu Erwerbs- und Berufsgruppen kategorisiert werden konnten. Dies betrifft allerdings nur die Infektionen der 1. und 2. Welle, mittlerweile werden Berufsangaben fast gar nicht mehr erhoben. Auch die Erfassung einer Haushaltsklammer für tiefergehende Analysen der betroffenen Haushalte, wie z.B. für das Spreading, erfolgt nicht. Um umfassende und valide Erkenntnisse über das Infektionsgeschehen in Bonn zu erlangen, ist eine Verbesserung der Datenlage unabdingbar.

Diese Datenlücke muss geschlossen werden

Der Modellstadt folgten zwei weitere Landkreise. Hier eine Auflistung von Daten, was fehlt bzw. was für weiterführende Analysen benötigt wird

  • Verbindung aus infizierter Person und aller Personen im Haushalt (sog. Haushaltsklammer), Erfassung des gesamten Haushalts
  • Eindeutige Unterscheidung zwischen „klassischem Wohnen“ und „Unterbringungen“ wie zB Seniorenheimen
  • Test- und Quarantänezahlen
  • Symptomatische/Asymptomatische Verläufe, schwere der Verläufe
  • Überträger (Donor)
  • Krankheitsverlauf (Schwere der Erkrankung)
  • Verbindung zwischen Gesundheitsämtern und Krankenhausdaten
  • Hospitalisierungsdaten lokal und regional
  • Regionale Impfquoten
  • Reinfektionsdaten
  • Beruf bzw. Tätigkeit und Tätigkeitsort
  • Mögliche Infektionsorte erfassen bzw. berechnen
  • Kenntnisse über Nicht-Infizierte eines Haushalts mit einem oder mehreren Positivfällen
  • Generell: Datenanreicherung auf mikrogeographischer Ebene zu Wohn- und Arbeitsverhältnissen sowie Sozio-Demographie

Was jetzt getan werden müsste: Modellstadt ausrollen

Die datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen sowie die darauf beruhenden Tiefenanalysen der Modellstadt Bonn könnten nun auf weitere Städte und Kommunen ausgerollt werden. So wurde das Verfahren bereits erfolgreich auf den Oberbergischen Kreis übertragen. Aus allen kreisfreien Städten und Landkreisen (401) müsste man nun eine Stichprobe ziehen und diese Regionen dann mikrogeographisch monitoren. So ließen sich beispielsweise im wöchentlichen Turnus neue Cluster und Muster identifizieren und Maßnahmen gezielt optimieren (zB. nachlassende Infektionsherde in Seniorenheime erkennen) und somit das Infektionsgeschehen schneller eindämmen, Kenntnisse über sich verändernde Bevölkerungsgruppen gewinnen sowie die öffentliche Kommunikation anpassen.

 

Send this to a friend